„Wonderland Lost“
Zum Auftakt der Meerbuscher Kunst Aktion „Offene Ateliers“ Anfang Juli sind sie bei uns eingezogen. Material Collagen einer neuen Werkreihe, die Laura Flöters große Einzelausstellung „Wasteland Villa“ bei uns im Hotel Villa Meererbusch erweitert.
„Wonderland lost“, eine Serie mit sechs kleineren Arbeiten (jeweils 40 cm x 40 cm). Laura Flöter hat sie an die Spielfiguren Welt von „My little pony“ angelegt. Tatsächlich sind die kleinen Ponies die eindeutigen „Hauptfiguren“ und zentralen Protagonisten in der eigenen kleinen Reihe. Sie kommt mit ihren Hintergründen in kräftigen Regenbogenfarben auch deutlich bunter daher als das Gros von Laura Flöters Arbeiten in eher gedeckten Farben auf abgetönten, beige-grauen Untergründen.
Selbstredend finden sich auch hier die Schichtungen höchst unterschiedlicher Alltagsobjekte und Gebrauchsmaterialen. Eher Kindliches und Verspieltes steht hier kombiniert mit technischen, hochkomplex anmutenden Computer Bauteilen. Unzählige Drähte, Münzen, Aluminiumfolie. Modeschmuck Ketten, Ringe und Broschen. Plastik Blümchen und Nagellack Fläschchen, Lidschatten Döschen (mit kleinem Spiegel!). All‘ dies verschmilzt zu einem skulpturalen Untergrund für die Pony Figürchen, die sich deutlich davon absetzen. Sie schweben fast über diesem Umgrund.
Spielzeug Ponies und Computer Bauteile
Ebenso deutlich abgesetzt von diesen Material Verdichtungen sind auch die einzelnen Computer Bauteile, die gänzlich unbearbeitet bleiben. RAM Riegel und SCSI Adapter etwa. Sie stehen allein durch die strenge Ordnung und „Aufgeräumtheit“ ihrer Oberflächen in deutlichem Kontrast zu dem scheinbar ungeordneten, fast schon chaotischen Hintergrund für die Pony Figuren. Sehr sorgfältig sind sie parallel zum Rand der Arbeiten ausgerichtet, was den separaten Charakter dieser Elemente betont.
Diese „Wonderland lost“ Reihe steht in deutlichem Kontrast zu Laura Flöters eher landschaftlich wirkenden Arbeiten. Nicht allein die Farbigkeit, sondern auch die Eigenheit, dass es mit den Pony Figuren jeweils eine Hauptfigur im Bild gibt, die sie in Szene setzt. Sie sind weniger ein integrales Element in der Objekt Ansammlung als tatsächlich deutlich davon getrennt. Lediglich die farbig diesem Untergrund angeglichenen bemalten Mähnen und Schweife der Ponies stellen eine Art Brücke und Verbindung zu diesem Untergrund dar.
Die Ponyfiguren selbst sind bei Laura Flöter auch gar nicht mehr bunt wie in der ursprünglichen „My little pony“ Spielzeugwelt, sondern lassen die ursprüngliche Farbe nur erahnen. Sie sind vielmehr gräulich weiss abgetönt, mit weissen blinden Augen. Bleich, wie Gespenster. Wie umfangreich und massiv diese Bearbeitung durch Laura Flöter im Gegensatz zur originalen „My little pony“ Welt mit ihren ikonischen Figuren steht, vermag wohl am besten beurteilen, wer sich in eben auch in dieser ursprünglichen Spielzeug Welt auskennt.
Die Little Pony Welt
Twilight Sparkle, Apple Jack, Pinkie Pie, Rainbow Dash, Fluttershy und Rarity. Na, kommen Ihnen diese Namen bekannt vor? Ja? Dann gehören Sie – oder Ihre Kinder – vermutlich zum Fanclub von „My little pony“. Einer quietschbunten Spielfiguren Serie mit unzähligen Charakteren um eine Kernfiguren Gruppe von sechs Ponies, die in eingeschworenen Fankreisen auch als Mane Six“ bezeichnet werden. Entwickelt wurden die Spielzeug Ponies ursprünglich Anfang der achtziger Jahre von der Illustratorin und Designerin Bonnie Zacharie. Inzwischen ist ein ganzes Pony Universum der amerikanischen Spielzeug Firma Hasbro daraus geworden. Mit unzähligen Pony Generationen, die sich in Aussehen, Ausstattung und Charakter voneinander unterscheiden.
Die Marke „My little pony“ umfasst selbstredend nicht allein die Kunststoff Figürchen, sondern eine ganze Welt mit Bettwäsche, Plüschtieren, Bekleidung und Accessoires. Es gibt selbstverständlich Spielesets und eine Zeichentrick Serie, mehrere Filme oder Comics.
Freundschaft ist magisch
Versierte Sammler kennen sich in der knallbunten Welt von Ponyville bestens aus. Sie wissen genau, ob es sich bei einem Pony um ein „playful pony“, ein „ride-along pony“, ein „Shine bright pony“, ein „glimmer wing pony“ oder ein „so-soft newborn“ handelt. Was macht die Reihe so verlockend? Die einzelnen farbenfrohen Ponies verfügen jeweils über besondere Tugenden sowie Fähigkeiten, und sie stehen für Freundschaft und Harmonie. Sie sind himmelblau, rosa, leuchtend orange oder hellgelb, mit typischen „Schönheitsflecken“. Symbole an der Flanke, die in ihrer Gestalt auf einen besonderen Charakterzug des jeweiligen Ponies verweisen: etwa ein Stern, Apfel oder Luftballon. Sie sind fröhlich, ehrlich, klug, großzügig und freundlich oder treu.
In unzähligen Episoden erleben unzählige Ponies unzählige Abenteuer in und um Ponyville, einer bezaubernden Kleinstadt im Königreich Equestria. Im Mittelpunkt steht stets das Thema Freundschaft, quasi generationsübergreifend. „Friendship is magic.“ – „Freundschaft ist Magie“. Und am Ende einer jeden Folge haben die Ponies etwas wichtiges zu diesem Thema gelernt.
Und wer guckt sich das an?
Der Hersteller Hasbro selbst erklärt Mädchen im Vorschulalter zur primären Zielgruppe. Und Kinder sind sicher die Haupt Nutzer dieser Spielzeuge. Tatsächlich hat sich um die Pony Figuren aber auch eine umfangreiche erwachsene Fangruppe gebildet, die ihren Höhepunkt wohl um 2011 / 2012 fand. Die „Bronies“, ein Kofferwort aus „bro(ther)“ und „pony“ sind erwachsen, und vorwiegend männlich. Mit der Piraten Partei zogen die kleinen Ponies sogar in die deutsche Politik ein. Tatsächlich benutzte die Piratenpartei ausgewählte Episoden der Serie „My little pony“, um nach hitzigen Diskussionen die Stimmung zu lockern und streitbare Parteimitglieder zu beruhigen. Das Vorgehen nannten sie „pony time“. Nach einem entsprechenden Antrag durch ein Parteimitglied und erfolgter Abstimmung wurde eine thematisch passende Folge abgespielt. Der ganz große Hype um „my little pony“ hat sich inzwischen wieder gelegt. Aber sicher gehören die ikonischen kleinen Figuren nach wie vor zur kindlichen Alltags- und Spielkultur.
Und was macht Laura Flöter daraus?
„Wonderland lost“. Ein verlorenes Wunderland. Die Lesarten sind höchst vielfältig. Es geht Laura Flöter auch in diesen Arbeiten um den Prozess der Aneignung und Umdeutung von Alltagsobjekten, um ihre Verwandlung. Altes Spielzeug, das vordem ungenutzt in einer Kiste im Keller oder auf dem Speicher lag. Laura Flöter stellt es in einen neuen Zusammenhang.
Die bleichen Ponies wirken wie geisterhafte Schatten einer Kindheit. Eine Zeit, an die Erwachsene sich zwar durchaus noch erinnern, die sie für sich aber wohl nicht mehr zurückholen können. Das freie, phantasievolle kindliche Spiel, in dem Spielregeln durchaus kreativ abgewandelt werden konnten. Es ist für die meisten erwachsenen Menschen nicht mehr möglich.
Laura Föters Entscheidung, die ursprünglich grellbunten Figuren blassgrau zu übermalen, erinnert ein wenig an die teils radikalen Maßnahmen, mit denen Kinder sich ihr persönliches Spielzeug zu eigen machen. Vermutlich haben die meisten von uns auch mal ihre Puppen bemalt oder dem Pony die Haare geschnitten. Aus der „Massenware“ eines industriell gefertigten Spielzeugs wird auf diese Weise für das Kind ein höchstpersönliches, eindeutig identifizierbares Objekt. Und für Laura Flöter „ihr“ eigenes, unverwechselbares Ponyfigürchen.
Werktitel als Element der Identität
Es ist ganz ungewöhnlich für Laura Flöter, dass die Pony Reihe Titel hat. Die Künstlerin kennzeichnet und katalogisiert ihre Arbeiten in der Regel nur mit ihren Initialen und dem Entstehungsmonat und -jahr. Aber ihre neue Serie nennt sie hingegen explizit „Wonderland lost“. Darüber hinaus haben die einzelnen Arbeiten ebenfalls eigene Namen. Dies reflektiert zu einen die Vorgehensweise des ursprünglichen Herstellers und „Ponyfigur Erfinders“, den einzelnen Figürchen auch sprechende Namen zu geben. Es ist aber in der Tat auch ein deutliches Element der Aneignung der Figuren durch die Künstlerin.
„Atomic garnet pony“, „Gamma carnelian pony“, „Plutonium beryl pony”. “Meltdown emerald pony”, “Becquerel topaz pony” und “Uranium amethyst pony”. Diese Titel verweisen mit den (Halb)edelsteinnamen zum einen auf die Grundfarbigkeit der einzelnen Werke. Zum anderen lassen die Referenzen auf die Welt der Atomphysik komplexe Assoziationen zu, die wohl auch Unsicherheit und Unbehagen inkludieren. „Eery“, also „unheimlich, furchterregend, gruselig, gespensterhaft“ nennt Laura Flöter selbst diese Stimmung. Auch der „Schattencharakter“ der Ponies, ihre spukhafte Gestaltung steht in diesem Kontext.
Die Pony Reihe „Wonderland lost“ bildet den Auftakt einer ganzen Serie, in der Laura Flöter unverwechselbare Spielzeug Figuren inszeniert und neu interpretiert. Laura Flöter gibt auch hier keine verbindliche „Lesart“ für ihre Arbeiten vor. Die Interpretation entsteht vielmehr aus den individuellen Erinnerungen der Betrachterinnen und Betrachter, aus ihren persönlichen Assoziationen und Verknüpfungen.