Menschen im Hotel. Die gar nicht so goldenen 20er Jahre.
Menschen im Hotel. Ein äußerst spannendes und vielschichtiges Thema. Die Musikerin und Schriftstellerin Vicky Baum (1888 – 1960) hat 1929 gleich einen ganzen Roman daraus gemacht. Im Untertitel heißt es: „Kolportageroman mit Hintergründen“.
Der Roman ist ein typisches Beispiel für die Literatur der „Neuen Sachlichkeit“. Eine höchst präzise und scharf beobachtete Studie sehr unterschiedlicher Lebensläufe. Die Handlung spielt nahezu ausschließlich in einem Berliner Luxushotel der „goldenen 20er Jahre“, die für viele Menschen tatsächlich ganz und gar nicht so „golden“ waren.
Und so begegnen sich in diesem Hotel auch höchst unterschiedliche Schicksale, und verwickeln sich im Laufe des Geschehens miteinander. Das Haus wird zum fast klaustrophobischen Parkett für mehr oder weniger gestrandete Existenzen. Tumultartige Verwicklungen um Betrug, Liebe, Eifersucht und Einsamkeit entwickeln und verwickeln sich, um sich am Ende eben nicht aufzulösen. Vicky Baum selbst beschreibt das in ihrem Roman so: „Was im großen Hotel erlebt wird, das sind keine runden, vollen, abgeschlossenen Schicksale. Es sind nur Bruchstücke, Fetzen, Teile; hinter den Türen wohnen Menschen, gleichgültige oder merkwürdige, Menschen im Aufstieg, Menschen im Neidergang; Glückseligkeiten und Katastrophen wohnen Wand an Wand. Die Drehtür dreht sich, und was zwischen Ankunft und Abreise erlebt wird, das ist nichts Ganzes.“ Und so heißt es dann auch folgerichtig ganz zum Schluß, wenn Doktor Otternschlag, wieder einmal reglos im Foyer sitzt: „Die Drehtüt dreht sich, schwingt, schwingt, schwingt, ….“
Menschen im Hotel. Ein Kaleidoskop von Figuren
Da ist zum Beispiel der Dauermieter Doktor Otternschlag, ein verbitterter, morphiumsüchtiger Mann, dessen Gesicht durch eine Kriegsverletzung entstellt ist. Tag für Tag erkundigt er sich an der Rezeption, ob nicht ein Brief für ihn abgegeben worden sei. Das ist aber nie der Fall. Und Abend für Abend spielt er mit dem Gedanken, seinem vereinsamten Leben mit einer Überdosis selbst ein Ende zu setzen.
Da ist die Grusinskaja, eine gealterte, launische Ballerina, die nur noch vor mäßig gefüllten Rängen tanzt, und dem Glanz vergangener Tage nachhängt. Oder der Hilfsbuchhalter Kringelein, der sich das Luxuszimmer, das er gebucht hat, eigentlich gar nicht leisten kann. Tatsächlich ist er todkrank, und hat beschlossen, alles hinter sich zu lassen, und die wenige Zeit, die ihm noch bleibt, im Luxus zu schwelgen. Er hat im Unternehmen von Generaldirektor Preysing gearbeitet, der ebenfalls im Hotel abgestiegen ist, um die Fusion seines maroden Unternehmens zu verhandeln. Und der dabei gleich mehrfach betrügt, sowohl seine Geschäftspartner als auch seine Frau. Mit seiner Aushlifsekretärin Fräulein Flamm, „Flämmchen“, die sich im Verlauf der Ereignisse in Kringelein verlieben wird.
Oder aber der weltgewandt charmante Baron Gaigern, dessen vornehmer Name Eleganz und Gloria vorgaukelt, der sich aber, ganz im Gegenteil, als Trickbetrüger und Fassadenkletterer über Wasser hält, und im Hotel nach geeigneten Opfern Ausschau hält.
Menschen im Hotel. Ein Roman wie ein Theaterstück
Auch in der Romanfassung wirkt Vicky Baums Text fast wie eine Art erzähltes Theaterstück, mit vielen konzentrierten Auf- und Abgängen an einem Ort. Bereits 1930 schrieb folgerichtig dann auch Vicky Baum selbst eine Bühnenfassung, die als eine der ersten Regiearbeiten von Gustaf Gründgens aufgeführt wurde. Inzwischen ist der berühmte Roman mehrfach, auch international verfilmt worden.
In der aktuellen Spielzeit 2018/19 sind gleich zwei Theaterfassungen an zwei Bühnen in der Nachbarschaft zu sehen, was ich gern zum Anlass nehme, darauf hinzuweisen.
Düsseldorfer Schauspielhaus. Menschen im Hotel. Nach dem Theaterstück von Vicky Baum in einer Fassung von Stephan Kaluza. Regie: Sönke Wortmann. Die kommenden Vorstellungen im Schaupielhaus am Gustaf-Gründgens-Platz: Mittwoch 30.01., Sonntag 24.02., Samstag 16.03.2019.
Rheinisches Landestheater Neuss. Schauspielhaus. Menschen im Hotel. Schauspiel mit Live Musik. Regie: Marlene Anna Schäfer. Hier die kommenden Termine in Neuss: Dienstag 29.01., Donnerstag 07.02., Freitag 08.02.2019, Sonntag 28.04.2019.
Wie wär’s denn mal wieder mit einem Theater Besuch? Vielleicht shon nächste Woche? Viel Vergnügen, wenn es heißt: Vorhang auf!