„Es war einmal in Amerika“
Nein, nicht Sergio Leone wuchtiges Gangster-Epos von 1984, mit Robert De Niro, das über mehrere Jahrzehnte, von den 20er Jahren bis in die 1960er, von Aufstieg und Fall einer Mafia Bande erzählt.
Es geht um die Ausstellung „Es war einmal in Amerika“, die mindestens genauso spannend ist, und die eine ganze Kunstgeschichte erzählt. Das Kölner Wallraf-Richartz Museum zeigt eine chronologisch angelegte Überblicksausstellung. Über 300 Jahre US-amerikanische Kunst, von 1670 bis 1958, um ganz genau zu sein. Portraits, Landschaften, historische Ereignisse, Genreszenen und Stillleben. Der Schwerpunkt liegt auf der Malerei. Zeichnung, Fotografie und Skulptur erweitern den Blick. Gewissermaßen ein „Bilder Spaziergang“ durch die US-amerikanische Kunstgeschichte, in acht Kapiteln. Lebendige Vielfalt, die sich allmählich von europäischen Vorbildern befreit, und eine eigene, facettenreiche Identität gestaltet.
(Kunst)geschichte als Spaziergang
Der Klassizismus zur Zeit des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges war noch deutlich an europäischen Vorlagen orientiert. Etwa Portraits wohlhabender Siedler, die ihren Stand dokumentieren wollten. Bedeutsame historische Ereignisse, wie die Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung (John Trumbull, 1832). George Stuarts Washington Portrait (ca. 1800). Kommt Ihnen bekannt vor? Ja, genau. Es ist der George Washington von der amerikanischen Dollar-Note.
Die teilweise verklärte, oft als Sehnsuchtsort überhöhte Landschaft des „Wilden Westens“ ist ein starkes Thema im ausgehenden 19. Jahrhunderts. Etwa von Albert Bierstatt, der – eingewandert aus Solingen – die europäische Malmode in die amerikanische Landschaft projiziert. Die Industrialisierung, einerseits mit ihrem Reichtum, andererseits mit ihren Schattenseiten, so wie sie von den Vertretern des amerikanischen Realismus im frühen 20. Jahrhundert gezeigt wurde. Slums, illegale Boxkämpfe, Betrunkene, soziales Elend, wie etwa in den Arbeiten von George Wesley Bellows oder George Benjamin Luke. Edward Hoppers psychologischer Realismus, der die trostlose Vereinzelung auf die Leinwand bringt. Hopper ist übrigens gleich vier mal vertreten. Aber nicht mit seinen ikonischen „Nighthawks“ (=„Nachtschwärmer“), sondern unter anderem mit „Girl at a Sewing Machine“, sowie dem „Hodgkin’s House“.
Vertrautes und Fremdes
Was an dieser Ausstellung so ungewöhnlich ist? Wenn es um US-amerikanische Kunst geht, liegt der europäische Fokus stark auf Kunst nach 1945, die weltweit einen großen Einfluss auf die Entwicklung und Etablierung neuartiger, sehr eigenständiger Kunstströmungen hatte. Amerikanische Kunst? Da fallen vermutlich vielen als erstes Namen wie Jackson Pollock, Wilhelm de Kooning oder Mark Rothko ein, die für den abstrakten Expressionismus stehen. Robert Rauschenberg und Jasper Johns. Oder Edward Hopper, Georgia O’Keefe. Barnett Newman. Oder die etwa die Großen der Pop Art, Andy Warhol, Roy Lichtenstein, um nur mal einige Namen zu nennen. Also eigentlich als Schwerpunkt eher ein Fall für das benachbarte Kölner Museum Ludwig.
Dieses Kapitel „Ab 1945“ gibt’s selbstredend auch, zum Ende der chronolgisch angelegten Schau. Barnett Newmans „Horizon Light“ oder Rothkos „Earth and Green“. Aber im Wallraf-Richartz-Museum wird dieser Bilderbogen weiter aufgespannt. Zu sehen sind insgesamt mehr als 130 Arbeiten, viele davon erstmalig ausserhalb der USA ausgestellt.
„Es war einmal in Amerika“. Ein Bummel für Entdecker
Es gibt viel zu sehen: Großes und Bekanntes, aber auch ganz andere, bei uns vermutlich weitgehend „unbekannte“ Arbeiten, wie etwa John Singleton Copleys hochdramatisches Werk „Watson and the Shark“ von 1782. Eine echte US-Ikone, die wohl in keinem amerikanischen Geschichtsbuch fehlt, aber bei uns vermutlich nicht unter den „Top 10“ der amerikanischen Kunst genannt werden würde. Denn europäische Museen haben gar nicht so viel amerikanische Kunst vor 1945 im Programm.
Der Spaziergang durch die amerikanische Kunstgeschichte ist also etwas für „Entdecker“, und sehr kurzweilig. Der sehr umfangreiche, gründlich aufbereitete Katalog zur Ausstellung liefert fundiertes Hintergrund Material, quasi als bebildertes Geschichtsbuch. Lassen Sie sich auf diese Entdecker-Tour ein, vielleicht auch als Abwechslung zum Vorweihnachtstrubel. Anschließend können Sie immer noch zum Bummeln über den Weihnachtsmarkt. Denn der liegt auch gleich um die Ecke. Eine schöne Weihnachtszeit und viel Vergnügen!