Ganz frischer Wind in alten Gemäuern
Im Rheinland finden sich zahlreiche Spuren des Preussentums, etwa als Bauwerk, Denkmal oder Strassenname, und Kaiser Wilhelm I. war oft der Namenspate. So wurde auch das gleichnamige Museum in Krefeld gleichermaßen als Denkmal und Ausstellungsort gedacht und erbaut. Als ein ganz typisches Bauwerk des Historismus zitiert es die italienische Renaissance, kombiniert mit preussischem Repräsentationsbewußtsein und dem Stolz jener Krefelder Bürger, die seinerzeit mit Spenden den aufwändigen Bau mit finanziert und damit erst ermöglicht hatten. Die Mischung aus Denkmal und Museum, Palast und Bildungsstätte wirkt massiv, von aussen vielleicht sogar ein wenig trutzig und „unbeweglich“, wobei vor allem mit der aufwändigen Sanierung 2012 – 2016 eine zeitgemäße Museumsarchitektur entstanden ist. Die Geschichte der Kunst über die Jahrhunderte vom Mittelalter bis in die Gegenwart ist mit vielen bedeutsamen Werken in der ständigen Sammlung vorhanden. Die immense Beweglichkeit und inhaltliche Energie dieses Museums zeigt sich allerdings vor allem im wechselnden Ausstellungsprogramm.
Kunst in Aktion. Ist das Kunst? Ja!
Ist das Kunst oder kann das weg?“ Diesen Spruch, oft zusammen mit „Das kann ich auch.“, und gern auch als Postkarte oder Magnettafel für den Kühlschrank, kennt wohl jeder. Gerade zeitgenössische Arbeiten sind schnell mal in dieser Schublade. Aber genau das ist nicht nur viel zu einfach, sondern auch ein echter Garant dafür, nichts mehr dazu zu lernen. Und das wäre höchst bedauerlich. Hier soll es also im Gegenteil vielmehr darum gehen, sich aus der Komfortzone von „Kenne ich. Weiss ich schon. Nix für mich.“ heraus zu bewegen und sich ernsthaft auf die Frage „Was soll denn das?!“ einzulassen. Das Kaiser Wilhelm Museum hat derzeit eine ganz besondere Form der Kunst im Angebot. Nämlich die Performance. Den Reiz des Vergänglichen und Flüchtigen im Unterschied zum dauerhaften materiellen Werk kombiniert die Performance gewöhnlich mit der künstlerischen Aktion in einem realen Raum. Oft nicht nur vor, sondern mit dem Betrachter, der damit selbst zum Akteur und aktiven Teilnehmer wird.
Und Krefeld kennt sich bereits gut aus mit der experimentellen Kunst der ortsbezogenen Performance. Performance-Meister mit Weltruf wie Joseph Beuys (der übrigens auch mit einer sehr sehenswerten wichtigen Werkgruppe im Museum vertreten ist!), Yves Klein oder Franz Erhard Walther haben bereits in Krefeld gearbeitet. Nun reiht sich der dänische Künstler Christian Falsnaes mit seiner ersten großen Museums-Einzelausstellung in diese illustre Runde ein.
Nichts für Kontaktscheue. Christian Falsnaes in Aktion
Der 1980 in Kopenhagen geborene Künstler Christian Falsnaes ist bekannt für seine provokanten Performances und Interaktionen im öffentlichen Raum. Das Verhältnis zwischen Kunst und Betrachter, die aktive Auseinandersetzung, um nicht zu sagen Konfrontation, steht im Zentrum seiner Arbeiten, die er über die Mittel der Performance, Malerei, Musik und Bewegung entwickelt. Bei Falsnaes kann man sich gar nicht nicht „heraushalten“, sondern ist unmittelbar aufgefordert, zu re-agieren, mitzumachen. Falsnaes wird zum Regisseur, bisweilen gar zum Manipulator, dessen Handlungsanweisungen zielgerichtet und kontrolliert sind, und deren Ergebnis aber auch ganz unvorhergesehen ausfallen kann. Denn mit dem Betrachter, der zum Akteur wird, kommt ja ein weiteres Individuum ins Spiel. Und weil dieses Individuum meist nicht alleine ist, sondern oft als Teil einer Gruppe agiert, entwickelt sich eine weitere kraftvolle Sozialdynamik. (Gruppen)psychologie, mal nicht als Theorie aus dem Lehrbuch, sondern als Erlebnis.
Fühlen Sie sich für die Kunst verantwortlich. Sie entsteht erst mit Ihnen!
Falsnaes überprüft gesellschaftliche Konventionen und Normen, klopft Machtverhältnisse und Rollen ab. Im Mittelpunkt der Krefelder Präsentation und Inszenierung von acht Arbeiten in acht Räumen stehen kommunikative Abläufe.
So fordert die titelgebende Arbeit „Force“ den Betrachter auf, in einen schwarzen Ganzkörper-Anzüge zu schlüpfen, der auch das Gesicht bedeckt. Im Wortsinn gesichtlos, und damit quasi seiner unverwechselbaren Identität beraubt, soll der Betrachter / Akteur sich dann vor einem Spiegel in einem ansonsten weissen leeren Raum bewegen, und wird dabei selbst zu einem kinetischen Kunstwerk, das sich selbst betrachtet.
Jedem ist freigestellt, ob und wie er Falnaes‘ Anweisungen folgt. Meint, es geht nicht zuletzt auch um das aktive Bewußtsein, in diesem Augenblick eine eigene Entscheidung zu treffen: soll ich mich darauf einzulassen oder nicht. Genau in diesem Moment entsteht die Kunst. Und wenn der Betrachter nicht mitmacht? Dann gibt’s das Kunstwerk doch erst gar nicht. Oder doch? Trauen Sie sich mal was und finden Sie es heraus! Viel Vergnügen!