Berufe raten einmal anders
Achat- und Fossilienschleifer, Barbier und Blaudrucker, Drechsler, Falkner, Filzer, Flachsverarbeiter (wo, wenn nicht auf diesem Markt?). Glasbläser, Handweber, Keramiker, Lederpunzer, Patroneure. Seiler und Seifensieder. Sensendengler, Stockmacher, Täschner, Weber und Zylindermacher.
Ein ganzes Alphabet ließe sich so füllen. Und die lange Liste von A bis Z, ist ganz und gar nicht komplett. Angefüllt mit teils rätselhaften Handwerksberufen und geheimnisvollen Tätigkeiten. Über 230 Ausstellerinnen und Aussteller stellen ihre Zunft und ihre Kunstfertigkeit über Pfingsten auf dem Krefelder Flachsmarkt auf der Burg Linn vor.
Machen Sie sich doch am kommenden Wochenende mal auf Entdeckungsreise, und vielleicht gar auf eine ganz besondere Zeitreise.
Traditionell, und bereits seit über vierzig Jahren, können Sie auf dem Flachsmarkt ganz besonderen, teils vergessenen und fast verschwundenen Handwerker Künsten begegnen. Schauen Sie einem Schmied über die Schulter, einem Drechsler oder Buchdrucker, oder machen Sie vielleicht einfach mit, und lassen sich zeigen, wie das so geht. Der Krefelder Flachsmarkt auf der Burg Linn bietet nicht nur viel zu gucken, sondern vielmehr auch zahlreiche Mitmach-Aktionen, für Erwachsene, und selbstverständlich gerade auch für Kinder. Und wer mag, kann auch einen Ausflug ins Ritterlager tun, mit Schwertkampf, Bogenschießen und historischen Tänzen.
„Altes“ Handwerk in „altem“ Ambiente. Die Burg Linn
Handwerker Märkte gibt es über das Jahr so einige. An unterschiedlichen Orten finden zahlreiche „neue“ Märkte statt, die alte Handwerkerkunst und traditionelles Leben inszenieren. Das wirklich Besondere am Linner Markt ist jedoch nicht zuletzt das besondere Ambiente einer Burganlage, deren Anfänge bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen, bis zum Burgherrn Ritter Otto von Linn.
Der ursprüngliche Linner Flachsmarkt hat zwar nicht „schon immer“ auf der Burg Linn stattgefunden, aber lässt sich bis in die Zeit der Stadterhebung Linns um 1315 zurückdatieren. Schon damals gab es ein reges Marktgeschehen, nicht nur für Flachs und die diversen Produkte darum herum. So wurde zum Beispiel Leinen auf dem Linner Marktplatz, dem Andreasmarkt, verkauft oder gegen Haushaltswaren oder Vieh getauscht. Und rasch entwickelte sich dieser „Flachsmarkt“ zu einem der wichtigsten Marktplätze der Region. Flachshändler und Bauern kamen bis aus Kerpen und Erkelenz. Händler und Krämer reisten zu den Markttagen sogar bis aus Moers an, und boten neben Flachs und Leinen auch Eisen-, Holz-, Leder- und Korbwaren, Steine, Töpferwaren, Textilien (auch gebrauchte), Pferdegeschirr, Getreide und später auch Fleisch und Brot an.
Und Flachs? Gibt’s hier natürlich auch. Nicht nur als Textilie.
Was wäre denn der Flachsmarkt ohne Flachs? Wie aus dem Flachs ein Leinenfaden gesponnen wird, das können Sie sich etwa auf dem Stand von Erna Evers anschauen. Sie zeigt ihr altes Handwerk in diesem Jahr zum ersten Mal auf dem Flachsmarkt. Übrigens lässt sich aus Flachs nicht allein Stoff herstellen. Flachs ist eine uralte Kulturpflanze mit ganz vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten. Aus den Fasern gewinnt man Leinen, aber auch Papier. Leinsamen finden sich in Backwaren, als Reformkost und Arzneimitteln, Leinöl ist ein beliebtes Speiseprodukt, kann aber auch zu Farben, Lacken, Druckfarbe, Wachstuch, Schmierseife und Linoleum weiterverarbeitet werden.
„Erzähl kein Flachs“
Flachs gibt’s auf dem Flachsmarkt aber nicht nur als Textilie, als Öl oder auf dem Gebäck. „Kein Flachs“ oder „ohne Flachs“ sagt man, wenn man betonen will, dass man keinen Unsinn, kein „leeres Zeug“ erzählt, oder einen Scherz macht. Und tatsächlich geht das „Flachsen“ in dieser Bedeutung wohl darauf zurück, dass die Menschen sich früher mit Scherzen und Geschichten die etwas eintönige Zeit vertrieben haben, während sie mühsam den Flachs zu Leinen weiterverarbeitet haben. Und wo wir schon einmal dabei sind: es wird nicht nur geflachst, sondern auch gesponnen.
Nicht nur im Wortsinn. Denn versponnene, phantasievolle, lustige Geschichten gibt es auf dem Krefelder Flachsmarkt selbstverständlich auch. Dafür sorgen Musiker, Gaukler und Geschichtenerzähler. Sie ziehen in traditionell anmutenden Kostümen über den Markt und unterhalten Kinder und Erwachsene mit Geschichten, Märchen und kurzweiligen Anekdoten aus vergangenen Tagen. Manch einer von ihnen erzählt sicher „eine Menge Flachs“ oder „spinnt“ ein wenig, aber gerade das kann auch äußerst unterhaltsam sein. Viel Vergnügen!