„Ist alles so schön bunt hier“
Zugegeben, Nina Hagens Punk Protest von 1978 ist inzwischen ziemlich „in die Jahre gekommen“. Dennoch trifft die Textzeile das Feuerwerk auf die Neuronen recht gut. Es flimmert, flackert und leuchtet in allen Farben. Videofilm, Fotographie, Multimedia-Installationen, aber auch Fotographie bilden den Schwerpunkt der aktuellen Cao Fei Werkschau.
Das Düsseldorfer K 21 präsentiert die chinesische Künstlerin Cao Fei (*1978), die schwerpunkthaft mit digitalen Medien und virtuellen Welten arbeitet. In Deutschland ist ihr Werk erstmalig in diesem Umfang zu sehen.
Die Schau umfasst Cao Feis künstlerisches Schaffen von 1995 bis 2018. Und manches wirkt – quasi als Retrospektive – sehr zeitgebunden, was sicher nicht zuletzt mit dem Medium an sich zu tun hat. Denn die Entwicklungen im Bereich von Multimedia entwickeln sich rasant. Der „state of the art“ von gestern ist technisch oft bereits schon heute überholt. So wirkt beispielsweise Cao Feis Auseinandersetzung mit der virtuellen Welt (vielmehr den Welten!) als ihr eigener Avatar „China Tracy“ in „Second Life“ heute ein wenig „wie aus einer anderen Zeit“. Second Life? Wir erinnern uns, das parallele Universum im Internet, als Online-3D-Infrastruktur und gigantisches Spiel mit teilweise bis zu 36 Millionen Nutzern. Aber die Zeitgebundenheit vieler Arbeiten macht die Schau nicht weniger interessant. Ganz im Gegenteil. Tatsächlich wirkt die Ausstellung in Teilen wie eine Art Zeitgeschichte in bewegten Bildern oder Video Chronik einer gesellschaftlichen Entwicklung. Und ganz und gar nicht „aus der Zeit“.
Es gibt viel zu gucken!
Richtig viel. Allein gute vier Stunden Video Film. Filme von gut einer Minute sind ebenso im Angebot wie etwa 60 Minuten Videos. Hier braucht es Zeit und Durchhaltevermögen. Vielleicht auch zwischendrin eine kleine Pause bei einer Tasse Kaffee im Museumscafe, um die gefluteten Sinne wieder ein wenig zu beruhigen.
Cao Fei kommentiert die gesellschaftlichen und urbanen Entwicklungen in China zwischen Kultur Revolution, Globalisierung und Turbo Kapitalismus. Massive Veränderungen, die auf den mitteleuropäschen Betrachter gleichzeitig fremd und doch irgendwie vertraut wirken. Variationen von großstädtischem Leben, von Gegenwart und Zukunft, von Fremdheit und Vereinzelung, von immer stärker technisierten Arbeitsbedingungen in einer automatisierten Welt, vom Umgang mit der Natur und der Umwelt. Soziale Dokumentation und Science Fiction. All dies setzt Cao Fei mit Bildern um, die – quasi als eine allgemein gültige Filmästhetik – vertraut und verständlich wirken.
Der „Geist in der Maschine“
Cao Fei webt Privates und Allgemeines fein ineinander. So ist etwa der Film „Haze and Fog“ (2013) im Wohnblock der Künstlerin gedreht. Er erzählt mit Hilfe von künstlicher Lichtsetzung von Leere und Perspektivlosigkeit, von der Entfremdung der Menschen, ihrer Wurzellosigkeit. Persönliche Eindrücke und politischen Kommentar gestaltet Cao Fei mit der Installation „Nation.Father“ (2005-2008). Denn diese Arbeit referiert gleichermaßen auf ihren Vater, einen in China sehr bekannten Bildhauer mit staatlichem Auftrag, alsauch auf Xi Jinping, den derzeitigen Regierungschef, mit dem China mit Überschallgeschwindigkeit in Richtung digitales „Übermorgen“ unterwegs ist.
Portraitiert wird dieses Übermorgen etwa in „Asia One“, einer Arbeit von 2018, die in einem gigantischen Logistikzentrum angesiedelt ist. Zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, sind, so scheint es, die einzigen Menschen in einem intelligenten Maschinenpark, und beaufsichtigen die vollautomatisierten Prozesse. Oder ist es umgekehrt? Kontrollieren die Maschinen diese Menschen, die übrigens Strichcodes auf den Armen tragen, wie die Waren, die sie unermüdlich hin- und herschieben. Aus der anfänglichen Fremdheit dieser beiden Menschen wird dann allerdings Nähe. Und die Maschinen geraten aus dem Ruder.
Vielleicht gibt es ihn ja doch, den „Geist in der Maschine“. Finden Sie es heraus. Viel Vergnügen!