Bei Nacht sind alle Katzen grau.
Und alle Kühe schwarz, wie es zum Beispiel im hebräischen Pendant zu dieser Erkenntnis heisst. Denn die menschliche Erfahrung ist überall dieselbe: Um sehen zu können, benötigen unsere Augen Licht. Im Dunkeln sind wir zwar nicht blind oder orientierungslos, wir können Gegenstände und Umrisse durchaus erkennen, aber Farben kaum unterscheiden. Nachts sind also nicht nur alle Katzen grau, zumindest für uns Menschen.
Unsere Augen besitzen zwei Arten von Sehzellen: Die farbempfindlichen Zapfen und die für das Sehen bei Dämmerung zuständigen Stäbchen. Wird es dunkel, können unsere Zapfen nicht mehr richtig arbeiten und legen sich gewissermaßen schlafen. Stattdessen kümmern sich die Stäbchen um unser Sehen. Da das Farbsehen bei uns nachts durch die „ruhenden“ Zapfen dann mehr oder weniger inaktiv ist und die Stäbchen nur dafür sorgen, dass wir überhaupt noch ein paar Lichtreize wahrnehmen, verwischt die Dunkelheit alle Unterschiede.
„Black & White. Von Dürer bis Eliasson.“
Wie spannend die Welt ohne Farbe und der Anblick von Grau in sämtlichen Schattierungen zwischen Schwarz und Weiß sein können, zeigt noch bis zum 15.07.2018 eine sehr radikale Ausstellung im Museum Kunstpalast in Düsseldorf. „Black & White. Von Dürer bis Eliason“ zeigt über 80 Positionen internationaler Künstler aus 700 Jahren Kunstgeschichte und in den vielfältigen Medien Malerei, Fotografie und Installation. Ihnen gemeinsam ist die konsequente Auseinandersetzung mit den beiden vermeintlichen Nicht-Farben Schwarz und Weiss. Gezeigt werden Arbeiten unter anderem von Mantegna, Tizian, Rubens, Rembrandt, Ingres, Degas, Picasso, Pollock, Giacometti, Chuck Close, Bridget Riley und Gerhard Richter sowie den Zero-Künstlern Piene, Mack und Uecker.
Ein ganz besonderer Höhepunkt – nicht allein für den Gesichtssinn – ist sicher die begehbare skulpturale Rauminstallation „The Collector’s House“ des belgischen Künstlers Hans op de Beeck. Grau ist alles andere als langweilig. Auf meinem Weg durch dieses Grau kam mir eine Assoziation in den Sinn: Alice im Wunderland folgt an einem öden Nachmittag aus schnöder Langeweile dem weißen Kaninchen ins Kaninchenloch, und fällt in eine gänzlich andere Welt. Folgen Sie doch einfach der Einladung des Sammlers und trauen Sie Ihren Augen. Und ich verspreche Ihnen: Wenn Sie im Anschluß an das graue Sammler Zimmer, in dem erst mit dem Betrachter wieder Farbe ins Spiel kommt, dann über Olafur Eliasons Rauminstallation die Ausstellung verlassen, verlieren Sie sofort jegliche Farbe, nicht nur im Gesicht. Viel Vergnügen!