100 Jahre Bauhaus. Krefeld im Zeichen der Baukultur
Hundert Jahre Bauhaus. Das Jahr 2019 steht vielerorts im Zeichen dieses Jubiläums, und selbstverständlich ist auch Krefeld mit zahlreichen Projekten und Ausstellungen dabei. Denn die Stadt ist historisch eng mit dem Bauhaus verknüpft. Ludwig Mies van der Rohe, Lily Reich, Johannes Itten, Georg Muche lebten und arbeiteten hier. Die berühmten Häuser Esters und Lange, die Ludwig Mies van der Rohe Ende der 1920er-Jahre entworfen und gebaut hat, stehen hier und werden als Ausstellungsorte genutzt. Auch das Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum hat die Bauhaus Bewegung in diesem Jahr im Fokus.
Kurzum, Krefeld hat zum „Jahr der Baukultur“ ausgerufen, und auch die Veranstaltungsreihe „Treppenwitz“ will Architektur in besonderer Weise erlebbar machen. Ort der Veranstaltung sind tatsächlich insgesamt sechs höchst unterschiedliche Treppenhäuser der Stadt, die allerdings nicht primär für das Thema „Bauhaus“ stehen müssen. Vielmehr sind höchst eigenwillige Vertreter von „Treppenhaus“ ausgewählt worden.
Perspektivwechsel: Achten Sie doch mal ganz genau aufs Treppenhaus
Oft wird das Treppenhaus vom Benutzer als bloßer „Durchgang“, quasi Mittel zum Zweck erlebt, wenngleich das Treppenhaus an sich alles andere als bloß funktional ist. Vielmehr ist es ein zentrales Gestaltungselement. Oft ist es repräsentativ, bisweilen gar furchteinflößend und trutzig, oder aber einladend, bisweilen beklemmend eng oder großzügig und weit, dröge und funktional. Ganz im Sinne der Gebäude, für die es entworfen und gebaut wurde.
Die Veranstaltungsreihe „Krefelder Perspektivwechsel“ hat sechs Treppenhäuser in teilweise durchaus höchst kontrovers diskutierten Bauwerken ausgewählt und präsentiert die jeweilige Architektur mit einem Augenzwinkern. Denn im Anschluss an eine historische Führung und architektonische Einstimmung gibt es Comedy, Lyrik, Musik, Kabarett, Improvisationstheater und Poetry Slam. Das stuckverzierte Treppenhaus im Krefelder Landgericht, der nie genutzte Rolltreppen Aufgang im Behnisch Haus, das einst majestätische und heute modernistische Treppenhaus im Kaiser-Wilhelm-Museum, das betont sachliche und schlichte Stadthaus („Eiermannbau“), die verwinkelte Treppe im klassizistischen Rathaus und das sonnig-tropische Treppenhaus der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule. Auf diesen Treppen und Stufen lässt sich lesen, vortragen und improvisieren, musizieren und spielen, sehr zum Vergnügen des Publikums, dass sich gut unterhalten kann und dabei etwas lernt. Also eine feine Kombination.
Und was ist jetzt der „Treppenwitz“ dabei?
Erst einmal ein sehr hübsches Wortspiel, nämlich die Zusammenführung von „Treppe“ und „Witz“, ganz im Sinne der Krefelder Veranstalter. Und den kuriosen Begriff gibt es tatsächlich. Ein Treppenwitz ist – im ursprünglichen Sinne von Witz – ein geistreicher Gedanke, der jemandem einen Moment zu spät („beim Hinausgehen auf der Treppe“) einfällt. Und der damit für die Gesprächsrunde oder Diskussion im Zimmer nicht mehr vorgebracht werden kann. Denn da ist man ja leider schon wieder zur Tür hinaus.
Friedrich Nietzsche vergleicht die Situation mit dem von ihm geprägten „Treppen-Glück“. Was das ist, beschreibt er selbst im zweiten Band seiner Betrachtungen „Menschliches und Allzumenschliches“ sehr wortgewandt folgendermaßen: „Wie der Witz mancher Menschen nicht mit der Gelegenheit gleichen Schritt hält, so daß die Gelegenheit schon durch die Türe hindurch ist, während der Witz noch auf der Treppe steht.“ Und dann – quasi aus der Rubrik „Unnützes, aber interessantes Wissen – gibt es in der Tat noch ein weiteres Kuriosum, nämlich einen Bestseller (ja wirklich, kein Witz!) von 1882 von William Lewis Hertslet, „Der Treppenwitz der Weltgeschichte. Geschichtliche Irrtümer, Einstellungen und Erfindungen“. Das Thema dieses Werkes ist die wohl allgemein menschliche Eigenart, geschichtliche Ereignisse nachträglich anekdotisch auszuschmücken. In seinem Buch entlarvt Hertslet derlei Anekdoten.
Der nächste Treppenwitz Termin? „Bewegendes Rolltreppentheater“ im Behnisch-Haus.
Lassen Sie sich einfach darauf ein, auf den „Krefelder Treppenwitz“. Die nächste Gelegenheit ist am 10./11.05.2019. Wenn das Improstudio „Müllerschön“ des Krefelder KRESCHtheaters (siehe auch Blogbeitrag „Gehen Sie doch mal wieder ins Theater“), auf der „toten Rolltreppe“ des Behnisch-Hauses zeigt, was gerade auf einer Rolltreppe, die niemals auch nur einen Meter rollte, so passieren kann. Wortgewandt moderiert von Silvia Westenfelder und musikalisch kongenial begleitet von Sebastian Fuhrmann. Hier wird dann Franz Kafkas „Stehender Sturmlauf“ (ein wunderbares Wortbild, das ich liebe und das hier wirklich passt!) mal zur Improvisation.
Gespielt wird übrigens drinnen auf der Treppe, geguckt wird von draußen auf der Straße. Legen Sie sich einfach in einen der bereitgestellten Liegestühle und genießen Sie das Spektakel bei einer Limonade. Der Eintritt ist frei.
10.05. und 11.05.2019. Architektonische Einstimmung jeweils um 20.00 Uhr. Auftritte „Müllerschön“ um 21.00 Uhr, 21.45Uhr und 22.30 Uhr.