Digitales Katzen Gucken
Über das rätselhafte und in seiner überbordenden Fülle vielleicht sogar verstörende Phänomen der Katzenbilder und Katzenvideos im Internet ist schon zuhauf geschrieben worden. Deshalb lasse ich es hier. Versprochen. All‘ diese großen, vor allem aber die ganz kleinen tappsigen Kätzchen sind selbstredend „süß“ und „niedlich“, und irgendwie auch ein Moment der Entspannung und Pause bei anstrengender Bildschirm Arbeit, aber dabei auch äußerst datenschwer und sie verursachen so viel Traffic, dass eine ganze Reihe von Nutzern inzwischen schon gänzlich katzenfrei ins Internet schaut. Mit 62% dominiert die Katze das Internet Tierreich, die nächst wichtigsten Faultier und Tapirbaby (ja, richtig gelesen. Es sind nur die ganz kleinen Tapire, die hier das Rennen machen) sind mit 8%, beziehungsweise 7% ziemlich weit abgeschlagen auf einem zweiten und dritten Platz (Quelle: FAZ Feuilleton vom: 01.04.2015).
Analoges Katzen Gucken
Warum schreibe ich also hier darüber? Zum einen, weil in unserer Nachbarschaft vor Kurzem eine neue, offenbar kaum domestizierte Katze eingezogen ist, die nun anfängt, ihr Revier zu erobern. Und ihr Revier ist ganz eindeutig auch unser Garten, den sie mehr oder weniger methodisch durchstreift und erkundet. Und ganz anders als die digitale Katzenwelt erfreut mich hier der klassisch analoge Blick in die lokale Flora und Fauna, und das Erleben von einem unabhängig handelnden Subjekt, also eindeutig mehr als eine „Ist-die-aber-fluffige“ Fellkugel. Traut sie sich schon über den Pfad oder bleibt sie in den Büschen? Was gibt’s zu sehen (und zu hören) in unserem bodendeckenden Dickicht aus Efeu? Wie lange kann eine Katze reglos kauern? Kurzum, ich freue mich einfach jeden Morgen über den Blick nach draußen auf ein scheues, rotgestromtes Wesen, dem ich umgekehrt vermutlich ziemlich gleich bin.
Nicht nur Katzen im Museum. Analog und digital
Im April bin ich über die höchst interessante, klug zusammengestellte April Titelgeschichte des art Kunstmagazins gestolpert, die sich ganz dem Tier als facettenreicher Metapher widmet. Aus der Mode war die Tierdarstellung in der Kunstgeschichte sicher nie, aber ausgehend von den Höhlenzeichnungen der frühen Menschen, den naturwissenschaftlichen Forschungen der Renaissance, dem Gemetzel der barocken Jagdszenen in Schlössern und Palästen, und den idyllischen Beziehungsportraits romantischer Bürger mit ihrem geliebten Haustier, um nur ein paar Beispiele zu nennen, waren sowohl Überhöhung als auch Verhätschelung von Tieren in der Kunst irgendwann suspekt. Gewissermaßen als Gegengewicht zum Katzenvideo klammert die Gegenwartskunst die naturalistische Tierdarstellung scheinbar aus, wandelt sie zumindest durch die Ironisierung oder durch Distanz, bis hin zur Umkehr. So heißt die berühmte Hündin mit dem rosa angemalten Bein, die quasi als Element einer Arbeit von Pierre Huyghe über das documenta-13 Gelände stromerte, dann dann auch folgerichtig „Human“, „Mensch“.
Und die Moral von diesem Beitrag….
Um das Ganze jetzt einfach mal abzuschließen: Freuen Sie sich auch weiterhin über ihre Tierbetrachtungen (egal ob analog oder digital. Und Katzenvideos gehen selbstverständlich auch), und lassen Sie hin und wieder die Gedanken schweifen über Ihr Verhältnis zum Tier (und umgekehrt?). Denn das ist wirklich lehrreich und macht Spaß.