(K)ein Zimmer mit Aussicht
Wieder ein ganz schneller Eintrag kurz vor dem Wochenende. „House with the Ocean View“. Haus mit Meerblick. Nein hier geht es nicht um ein Reiseprospekt taugliches Panorama, sondern vielmehr umgekehrt den Blick von außen nach innen. Die legendäre 12-Tage-und-12-Nächte Performance von Marina Abramovic, die sie 2002 in der New Yorker Sean Kelly Galerie durchgeführt hatte, wird nun zum ersten Mal und exklusiv in Bonn wieder aufgeführt. Die drei schwebenden, karg eingerichteten Räume sind über 12 Tage und Nächte, noch bis zum 24.06.2018, das „Zuhause“ der Performerin Lyn Bentschik, die man bei all’ ihren alltäglichen Routinen beobachten kann: schweigend, konzentriert, fastend. Diese drei Räume sind nach der vierten Seite, zum Zuschauer hin, offen, und bieten keinerlei Rückzug ins Private. Es ist unmöglich, sich dem Blick der Betrachter zu entziehen. Das Entrinnen aus diesen Räumen, aber umgekehrt auch der körperliche Zugang in die Räume über die Leitern ist durch große Fleischer Messer verwehrt, die jeweils mit ihren Klingen nach oben auf den einzelnen Stufen liegen. Diese Langzeit Performance ist tatsächlich eine seelische und körperliche Grenzerfahrung, in erster Linie für die Performerin, die sich keinesfalls entziehen kann, aber auch für das Publikum, das quasi zum Voyeur wird, aber (und das ist eine ungeheure Entlastung!) den Blick abwenden kann.
Performance. Wir bringt man das Immaterielle ins Museum?
Grenzerfahrungen sind das große Thema von Marina Abramovic, die in ihren Arbeiten die Performance endgültig als eine große, allgemein gültige Kunstform etabliert hat. Ihre persönlichen Erfahrungen, die Reflexion ihrer Biographie, den Umgang mit Schmerz, Scham, Scheitern, Gewalt und Verlust, fließen ebenso in ihre Arbeiten wie die Refelxion, das Spirituelle und das Sich-selbst-ausgesetzt-Sein. Tägliche Re-Performances bekannter Arbeiten wie „Imponderabilia“ (1977), „Art must be beautiful, artist must be beautiful“ (1975) und partizipative Performances wie „Mutual Gaze“ oder „Counting the Rice“ machen in der Bonner Zusammen-Schau die Kunst von Marina Abramovic unmittelbar erlebbar.
Noch insgesamt bis zum 12.08.2018 ist die große Abramovic Retrospektive in Bonn zu sehen. Falls Sie also noch nicht da waren und für’s Wochenende noch nicht gepalnt haben: die Langzeit-Perfomance „House with the Ocean View“ (bis einschließlich Sonntag 24.06.2018) ist sicherlich ein Herzstück Abramovic’scher Kunst, und hat – auch fünfzehn Jahre nach ihrer Ur-Aufführung und in Zeiten von allgegenwärtigen BigBrother und WorldWideWeb Voyeurismus nichts von ihrer Wucht verloren. Wie wäre es also mal mit einem spontanen Wochenende Ausflug nach Bonn?