„Münter. Gabriele Münter.“ Und nicht nur die Frau von Kandinsky
„Gabriele Münter? Ach ja, das ist doch die Frau von Wassily Kandinsky.“ Das ist richtig, aber trifft die Situation nicht einmal annähernd. Denn in diesem vielfach leicht dahingesagten Satz offenbart sich die eigentliche Tragik der Gabriele Münter. Denn die äußerst vielseitige, talentierte, und auch zu Lebzeiten durchaus erfolgreiche Künstlerin stand viel zu lange im Schatten ihres On-Off Lebensgefährten. Kandinsky, der mit seinem Werk und seinen kunsttheoretischen Abhandlungen zu den wirklich ganz großen Künstlern der Moderne zählt.
Sicher ist ihr Name auch eng verknüpft mit der Künstlergruppe „Blauer Reiter“, um Kandinsky und Franz Marc. Denn es ist ihr Verdienst, dass das Münchener Lenbach Haus durch ihre umfangreiche Schenkung von zahlreichen Arbeiten der Künstler des „Blauen Reiters“ zu einem Weltmuseum wurde. Aufgrund eben dieser starken Verknüpfung mit Kandinsky und dem „Blauen Reiter“ rückte ihr eigenes, umfangreiches Werk tatsächlich irgendwie ein wenig in den Hintergrund. Kurzum, es ist also wirklich an der Zeit für eine Mono Show für Gabriele Münter.
Gabriele Münter. Eine Frau – viele Facetten
Nach dem Münchner Lenbachhaus zeigt nun das Kölner Museum Ludwig eine einzigartige Werkschau, die Gabriele Münter (1877 – 1962) aus dem übermächtigen Schatten ihres Mannes holen will. Hier geht es nicht um Lebensumstände und das chronologische „Abarbeiten“ von Gabriele Münters Werk. Denn es geht vielmehr darum, die Vielseitigkeit und Orginalität von Gabriele Münter zu präsentieren.
Aber für Zeitleisten und Schubladen ist ihr Werk auch viel zu uneinheitlich: Landschaften, Portraits, Stilleben, Genre Bilder, Interieurs, aber auch der Alltag einer industrialisierten Moderne, so zum Beispiel Baustellen oder technische Abläufe.
Sie befasst sich mit Zeichnung und Malerei, Fotografie, Druckgraphik, ja sogar Hinter-Glas-Malerei. Viele Motive begleiten sie länger, sie erforscht sie über die Zeit mit unterschiedlichen Ausdrucksmitteln.
Auf zahlreichen Reisen lässt sie sich von den vielen, teils exotischen Eindrücken inspirieren, aber auch von der oberbayrischen Landschaft um Murnau. Sie sammelt kunsthandwerkliche Artefakte, Heiligenfiguren und Holzschnitzereien. In vielen ihrer Gemälde zeigt sie Objekte ihrer Sammlung, fast so, als wolle sie sich damit selbst ins Bild bringen. Gabriele Münter freut sich an Bildern, die Kinder gemalt haben, und erforscht die Unvoreingenommenheit und Unmittelbarkeit des kindlichen Ausdrucks.
Gabriele Münter war tatsächlich höchst experimentell, hatte Freude daran, sich in unterschiedlichen Stilen auszudrücken. Tatsächlich hat sie einen guten „Blick“ für das Motiv, erfasst es schnell und sicher. Sie beginnt impressionistisch, wird expressionistisch, und hat so einige Motive über die Jahre in zahlreichen Varianten erprobt. Vieles wird flächig, reduziert und in klaren Formen, häufig schwarz umrandet. Es bleibt bisweilen auch in ihrer Malerei eher „skizzenhaft“ und angedeutet. Eine ganze Reihe ihrer Werke setzt sich auch mit den Möglichkeiten der Abstraktion auseinander.
Und Kandinsky? Ist hier mal im Hintergrund
Selbstredend haben Kandinsky und Münter sich auch wechselseitig inspiriert. Kandinsky war für Gabriele Münter eine ganz zentrale Gestalt: als Künstler und geliebter Mensch. Die Trennung eine äußerst schmerzvolle Erfahrung, die sie tief getroffen hat. Kandinsky hatte als ihr Lehrer früh ihr außergewöhnliches Talent erkannt. „Du bist hoffnungslos als Schüler – man kann Dir nichts beibringen. Du hast alles von Natur.“ schreibt er schon früh in einem Brief an Gabiele Münter.
Zusammen leben hieß auch zusammen arbeiten. Im Vordergrund dieser Beziehung stand jedoch sicher er als zentrale Gestalt. Wenngleich auch sie selbst auch zu ihren Lebzeiten eine erfolgreiche Künstlerin war, die mit ihren Arbeiten eigenständig wahrgenommen wurde.
Während ihrer gemeinsamen Jahre hat Münter auch Kandinsky vielfach gemalt. Einige dieser Bilder sind in der Kölner Ausstellung zu sehen. Sie zeigen Kandinsky am Tisch sitzend, beim Tee, oder mit Gebäck. Oder im Gespräch mit der Künstlerin Erma Bossi. Kandinsky scheint mit großer Geste etwas zu erläutern, Bossi hört zu. Gabriele Münter hat genau diese Szene tatsächlich über die Jahre in einer ganzen Reihe von Bildern „verarbeitet“.
Viele ihrer Motive sind klar, wirken heute bisweilen konventionell. Unter ihren Bildern ist aber andererseits auch eher Rätselhaftes, Mysteriöses, wie etwa die „Zuhörerinnen“. Vier Frauen, die bequem in einer Reihe sitzen, auf weichen Sesseln und Sofas. Überdies hängen über ihnen an der Wand wohl zwei exotische Masken. Sie hören zu. Was oder wem sie zuhören, ist allerdings nicht gezeigt. Einem Vortrag? Einer Radiosendung?
Leider in Köln nicht im Orginal zu sehen ist ein kleines Interieur Bild von Münter (etwa 1910), das in Murnau ausgestellt ist. Es zeigt den (damals noch) geliebten Mann doch mal im Hintergrund. Es ist der Blick in die gemeinsame Wohnküche in Murnau. Hinten links ist die geöffnete Tür zum Schlafzimmer zu sehen: Kandinsky ist ganz entfernt zu sehen. Und vorn im Bild stehen nur seine großen Schuhe.
Gabriele Münter. Malen ohne Umschweife
Die Kölner Werkschau zeigt Gabriele Münters bekannte Arbeiten, wie etwa das Portrait von Marianne von Werefkin oder den Knabenkopf, die Kanufahrt mit Kandinsky, die Landschaft mit Hütte im Abendrot. Um nur ein paar zu nennen. Denn viele der jetzt ausgestellten Arbeiten sind nach langer Zeit erstmalig (wieder) zu sehen, nachdem die akribische Gabriele Münter sie seinerzeit für ihr Depot verpackt hatte.
Also gibt es viel zu entdecken. Fahren Sie doch mal nach Köln und erleben Sie eine wirklich sehenswerte Werkschau im Museum Ludwig. Die umfangreiche Ausstellung wird von einem Film begleitet, der auch Gabriele Münters Haus, das „Russenhaus“ in Murnau, vorstellt. Lesenwert ist übrigens auch der sorgfältig gemachte Katalog zur Ausstellung, der mit vielen Abbildungen Gabriele Münters Werk erläutert und thematisch ordnet. Gabriele Münter, Malen ohne Umschweife.