Möbel und Gebrauchsgegenstände sind immer auch Zeitzeugen für ein gelebtes Menschenleben. Sie bleiben zurück, und oft sind sie die einzige Spur, die ein Mensch hinterläßt. Wenn dieser Mensch berühmt war, nehmen sie als eine Erinnerung den Nimbus dieses Menschen auf. Werden als gleichsam als Abglanz ein wertvolles Artefakt, fast heilig.
Möbel Ausverkauf im Ritz. Zum ersten, zum zweiten, zum dritten.
Das Hotel Ritz, 15, Place Vendome, Paris. Dieses weltberühmte Grand Hotel hat mit Sicherheit eine Aura. Seit 120 Jahren DIE Adresse in Paris, der Inbegriff von Luxus. Alle waren sie hier: Maria Callas, Lauren Bacall, Marcel Proust, Ernest Hemingway oder Erich Remarque, Gina Lollobrigida, Ingrid Bergman, Roger Moore und Woody Allen. Elton John und Madonna, Lady Diana in der furchtbaren letzten Nacht ihres Lebens. Coco Chanel war Dauergast und hatte eine eigene Suite. Diese illustre Liste der „Schönen und Reichen“ über die Jahrzehnte ließe sich endlos fortsetzen. Nach einer mehrjährigen Renovierung erstrahlt das Ritz in neuem Glanz. Und mehr als 10.000 Möbel, Einrichtungsobjekte und Gebrauchsgegenstände aus dem Luxushotel, die keinen Platz mehr gefunden haben, werden nun versteigert.
Möbel als Zeugnis von Glamour, Glanz und Größe menschlicher Existenz
Das Publikumsinteresse an den Artefakten des Mythos ist gigantisch, und man muss dafür nicht einmal höchst persönlich anreisen. Auch online kann man entspannt mitbieten. Eine Harfe aus der „Proust Suite“, Plüschsofas, Hocker, Vorhänge, die mutmaßlich erste, inzwischen jedoch arg renovierungsbedürtige erste Badewanne des Hauses, ja, sogar ein Gartentor mit Ritz Emblem.
Wie ist es wohl, diesen Dingen ein neues Zuhause zu geben? Bewahren sie ihren Nimbus, den besonderen Glanz? Sicher liegt auch diese Schönheit im Auge des Betrachters. Aber wir sind sicher, dass Dinge tatsächlich ihre Aura bewahren, wenn sie mit einer Erinnerung oder Assoziation verknüpft sind. Menschen hinterlassen Dinge, oft als einzige Spur ihrer Existenz.
Nicht ganz so berühmt, aber dafür sehr persönlich: Unsere recycelten Möbel
In unserem Hotel gibt es viele gebrauchte Gebrauchsgegenstände, die wir ganz im Sinne der Nachhaltigkeit bewahren und weiter verwenden. Es sind es sicher nicht die Artefakte der glamourösen Berühmtheit, aber sicherlich alltäglich genutze Gegenstände, die – mit all’ ihren Gebrauchsspuren, der einen oder anderen Schramme oder dieser kleinen angeschlagenen Ecke – ein Zeichen für gelebtes Menschenleben sind. Unser Haus ist tatsächlich gefüllt mit bereits gebrauchten Dingen, die mit ihrer Patina ihren ganz eigenen Charme besitzen. Selbst ganz neu renovierte Zimmern richten wir nicht mit neuen Möbeln ein.
Gebrauchte Möbel werden Lieblingsstück und zu vertrauten „Zimmergenossen“
Das eine oder andere Ding in unserem Haus ist so recht gar nicht zu „gebrauchen“, wie etwa der alte, elegante Broadwood Flügel in unserem Frühstückszimmer. Nicht bespielbar, aber wunderschön, und vielleicht 200 Jahre alt, wie die Seriennummer vermuten lässt.
Für etliche unserer Stammgäste ist ihr jeweiliges Lieblingszimmer (und wenn es irgend geht, erfüllen wir selbstverständlich jeden Zimmerwunsch!) tatsächlich oft mit einem besonderen Gegenstand verbunden. Etwa dem alten Schiffsekretär mit einem Fach in der Vorderseite, dass man mit einem Brikett befüllen konnte, für warme Beine in einer stürmisch-kalten Nacht auf See. Der winzige venezianische Spiegel, kaum zu gebrauchen, weil er fast blind ist, und damit eher Dekoration als Gebrauchsgegenstand. Oder aber der elegante Schminktisch mit dem großen Klappspiegel als ein Element einer kompletten Schlafzimmer Einrichtung aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts.
Spurensuche: Wie ein Möbelstück zu einem erinnerten Leben wird. Eine wahre Geschichte.
Mit diesem großbürgerlichen Schlafzimmer hat es tatsächlich eine besondere Bewandtnis. Denn vieler unserer Gäste fühlen sich ganz besonders mit diesem Zimmer an ihre Kinderzeit erinnert. Daran, wie sie bei ihrer Großmutter zu Besuch gewesen sind, und auch mal in dem großen Bett übernachten durften. So erging es auch einem Gast, der uns bereits bei seiner Ankunft in diesem Zimmer von eben dieser Assoziation erzählte. Genau so ein Zimmer habe seine Großmutter auch gehabt, ganz genau so eines, und er hatte es als Kind sehr genossen, in so einem riesigen Bett zu liegen, wenn er bei ihr zu Besuch war. So oder so ähnlich haben wir die Erinnerungen und Assoziationen schon häufiger von unseren Gästen erzählt bekommen. Als dieser eine Gast jedoch am nächsten Morgen zum Frühstück kam, hatte er eine Geschichte für uns, die uns tatsächlich verblüfft hat (und die uns immer noch „nachhängt“, weil sie für den bloßen Zufall viel zu „schicksalhaft“ erscheint!): Noch am Abend hatte unser Gast sich die Einrichtung seines Zimmer wirklich ganz genau angeschaut. Und tatächlich, unser Zimmer IST das alte Schlafzimmer seiner Großmutter, nicht „so ähnlich“, sondern ganz genau, und ohne jeden Zweifel. Der Beweis: im Kopfteil des Bettes ist eine mehr oder weniger versteckte Schramme, die er als Kind – mit Mumps, und das hieß absolute Bettruhe – in eben dieses Bett geritzt hatte. Minutiös und ziemlich zeitaufwendig, wie man das als Kind wohl bisweilen macht, wenn man krank ist, nicht nach draussen darf, altersgerechte Flausen im Kopf hat und sich ein bisschen langweilt. Das ist also die Geschichte hinter dieser eigentümlichen Schramme, die wir uns als „Gebrauchsspur“ vordem gar nicht so richtig erkären konnten. Er wußte und konnte uns erzählen, dass nach dem Tod seiner Großmutter Teile ihrer Einrichtung verkauft worden waren. Wir hatten dieses Zimmer tatsächlich vor einigen Jahren bei einem Antik-Händler in Düsseldorf gekauft. Ganz einfach, weil es uns als komplett erhaltene Gesamteinrichtung gut gefiel. Mit diesem Gast und seiner Geschichte hatte sich für uns (und ihn!) ein Kreis geschlossen. Jetzt im Mai übernachtet er übrigens wieder hier, mit seiner Frau. Und selbstverständlich muss es genau dieses Zimmer sein. Wir mögen diese Anekdote sehr.