„Bitte nicht berühren!“ Gilt hier ganz und gar nicht.
Eine wichtige Museums-Regel lautet: Bitte nicht berühren! Im K 21 sieht das ganz anders aus. Die riesige Raum-Installation, die in über 25 Metern Höhe an der Decke schwebt, ist begehbar. Genauer, der Betrachter ist dazu eingeladen, sie zu „erklettern“.Tomás Saraceno hat mit „in orbit“ eine spinnennetzartige Konstruktion entwickelt, die in drei Ebenen unter der lichthellen Glaskuppel des K21 aufgespannt ist. Fünf transparente Sphären, gewaltige Kugeln, unterstützen die „luftige“, sogar schwerelose Wirkung der Komposition.
Ohne Netz und doppelten Boden
Wie ist es denn da oben? Ein Zettel klärt über die Risiken auf: nicht mehr als fünf Personen gleichzeitig, alle über 12 Jahre alt, mit festem Schuhwerk, und ohne belastendes „Gedöns“ am Körper, überdies gesichert mit einem grauen Überzieh-Overall. Brillenträger, die auf ihre Brille nicht verzichten können, bekommen ein Leihbrillenband, das dafür sorgt, dass die Brille vor den Augen bleibt. Und wer sich dann tatsächlich traut, kann tatsächlich etwas erleben. Ja, das Konstrukt ist über „Netz und doppelten Boden“ gesichert, fühlt sich aber ganz und gar nicht sicher an. Auch die im Netz verteilten Kuschel-Kissen lassen kaum Lounge-artige Behaglichkeit aufkommen. Sobald sich mehrere Personen im Netz bewegen, gerät das Konstrukt in Schwingung. Denn die Spannung der Seile ändert sich, ebenso wie der Abstand der Ebenen zueinander. Die Präsenz der übrigen Menschen im Netz ist über Vibrationen unmittelbar zu spüren. Der schwebende Raum macht Beziehungen und Resonanzen als unmittelbaren Impuls erlebbar.
Spinnennetze als Inspiration
Wer Saracenos raumfüllende Netzkonstruktion und konkret gewordene Architektur-Utopie nicht nur „erfühlen“, sondern erfassen will, sollte nicht versäumen, auch in den von Saraceno eingerichteten Kunstraum zu gehen. Abgedunkelt und zugleich effektvoll beleuchtet, weben dort lebende Spinnen in Vitrinen ihre filigranen Netzpaläste aus zahllosen Fäden. Saraceno läßt verschiedene Spinnenarten ihre Netze jeweils auf den Netzstrukturen anderer Spinnen „aufbauen“, so dass aus den „alten“ und „neuen“ Netzen jeweils hybride Strukturen entstehen. Saraceno selbst hält in seinem Atelier diverse Spinnenarten, um ihr Sozialverhalten und ihre Bauweise als Vorbild für seine Projekte zu studieren. Und ein wahres Meisterwerk der Natur ist so ein Spinnennetz allemal.